Die Wehrstedter Bauern
Häuser und Dorfanlage
Die alten Bauernhäuser im Dorf sind trotz vieler Um- und Anbauten noch
immer als typische Zweibauhöfe zu erkennen. Von den 24 Kotsaßhöfen sind
noch heute 18 solche Zweibauhöfe erhalten. Sie sind keine
Niedersachsenhäuser. Diesen altsächsischen Haustyp gab es nur
vereinzelt im nördlichen Teil des Kreisgebietes. Es war ein
Vierständerhaus mit großer Tenne in der Firstrichtung, großer Einfahrt
in der vorderen Giebelseite und den Zimmern an der hinteren Giebelwand.
Kein Wehrstedter Hof ist diesem Typ zuzuordnen.
Unsere Zweibauhöfe haben 2 Gebäude, in der Längsrichtung
aneinandergerückt. Das Wohnhaus ist teilweise im Erdgeschoß als
Backsteinbau erstellt. Das Scheunentor an der Längsseite trägt selten
Inschriften.
Später wurden diese meist als Kotsaßhöfe bezeichneten Zweibauhöfe durch
eine rechtwinklig angesetzte Scheune ergänzt. Auch Überhangdächer,
sogenannte Schauer, wurden angebracht und sind heute noch erkennbar bei
Bock, Crome, Engel, Lücke, Luke, Sonnemann u. a. Über beide Häuser
stülpte sich ein pfannengedecktes Satteldach.
Von der Größe und der Anordnung her ist der Grebesche Ackerhof (Am
Sportplatz 10) eine Ausnahme gewesen. Dort wurden auch nicht wie bei
den Kotsassen knapp 20 Morgen bewirtschaftet, sondern etwa 90 Morgen.
Deswegen waren die viel größeren Stallungen, Scheune und Wohnhaus nicht
aufgereiht. Sie standen rechtwinklig zueinander. Aber sie bildeten kein
"Mitteldeutsches Gehöft" mit festumschlossenem Hofplatz und der "Miste"
mittendrin. Dieser Ackerhof ist frei von Abgaben und Diensten ans
Rittergut gewesen, hatte aber alle Nutzungsrechte an der Allmende.
Möglicherweise war es der Hof des Bruno Rode, der 1217 Kreuzfahrer
wurde.
Der ehemalige Grebesche Ackerhof im Winkel
Sozialgefüge
Das Dorf lag abseits der Heer- und Handelsstraßen und auch der damit
verbundenen Gefahren wie etwa Raubrittertum und Wegelagerei. Es lag in
sich abgeschlossen, kehrte die Rückseite der Höfe gewissermaßen nach
außen und versteckte sich hinter Brinks und Obstgärten. Man könnte
meinen, die Wehrstedter legten Wert auf Abgeschlossenheit
vomDurchgangsverkehr. Alle Wege und Gassen führten ausschließlich im
Unterdorf zusammen. Wobei das Thie- der Versammlungsplatz- an der Linde
auf dem Platz zwischen Dorfstraße 12 und 17 anzunehmen ist. Das
Hirtenhaus und auch wohl das erste Armen- oder Gemeindehaus muß dort
gelegen haben. Der "Hirtengarten" liegt jedenfalls noch dort. Das alte
Dorf hat also als Oberdorf und Unterdorf etwa zwischen Schukenbrink
(Dorfstraße 26) und Uitschenpump (Dorfstraße 5) gelegen.
Alle Fuhrwerke, die einen der Kothöfe verließen, mußten einen der Wege
durchs Dorfinnere nehmen. Es wundert deshalb nicht, daß die Wege vor
den Brinks teilweise bis zu einem Meter tief ausgefahren waren: der
obere Teil des Kirchweges, die Förstergasse, der obere Teil der Mühlen-
(Schmiede-) Straße, die Dorfstraße vorm Schukenbrink und am
Hirtengarten. Wenn dann noch ein Kotsaß seine 18 Morgen an 21 Stellen
liegen hatte, mag da ein reger Fuhrbetrieb im Dorf gewesen sein. Da man
außerdem das Wasser eimerweise mit der Schanne vom Brunnen holte, kam
auch noch ein reger "Fußgängerverkehr" dazu. Die wenigsten der Höfe
hatten eigene Brunnen. So mag nicht nur rein äußerlich der Charakter
des Dorfes "nach innen" gezeigt haben.
Dieser Typus wird heute als unregelmäßiges Haufendorf bezeichnet.
Wehrstedt - ein unregelmäßige Haufendorf
Ein Bauer mit Gesinde bei der Ernte und Zehntknech mit Kerbholz
Die Pfarrkirche und der dazugehörige Pfarrhof, mit 22 3/4 Morgen größer
als die Kothöfe, konnten 300 bis 400 Jahre später gar nicht mehr ins
Dorf gebaut werden, weil die schon abgeschlossene Dorfeinheit keinen
Platz mehr hatte. Bei dem Einfluß, den die Kirche im Mittelalter hatte,
hätte sie das Gotteshaus an bevorzugter Stelle, in der Dorfmitte,
erbaut. Aber die Kothöfe lagen so gefügt, daß kein Platz für Kirche und
Pfarrhof geschaffen werden konnte. Sie mußten "hinters" Dorf gebaut
werden. "Man sollte die Kirche im Dorfe lassen!" Ja, wenn ...! In
Wehrstedt liegt sie im Hinterdorf. So nennen alte Wehrstedter heute
noch diesen Ortsteil, der möglicherweise 3 bis 4 Jahrhunderte später
besiedelt wurde.
Lasten und Erwerbsquellen
Warum und wieviel Lasten die Bauern aufzubringen hatten, wird in einem
Buch von H. A. Lüntzel aus dem Jahre 1830 so erklärt:
Zinsende Bauern, Zinsmeister mit Kerbholz, der Herr reitet zur Jagd
Als die Sachsen sich dem Frankenreich anschlössen oder anschließen
mußten, wurden ihnen alle Freiheiten erhalten. Nur derAcker wurde mit
der Abgabe des Zehnten beschwert. Diese alten Steuern wurden vom Reich
an den Adel veräußert. Der Bauer mußte sich seinen Schutz
durch Abgaben erkaufen. Oft taten aber der niedere Adel - die
Gutsherren - oder die Vögte und Meier noch ihr Nötiges dazu und
"erfanden" neue Abgaben. Nach der Stiftsfehde 1523 wurden die
Forderungen der braunschweigischen Herzöge Juliusund Heinrich Julius
immer größer. Aber auch nach 1643, der Wiedervereinigung des Stifts,
blieben die Abgaben so hoch! Nur der "beständige Besitz ihrer Höfe"
wurde den Ackerleuten und Kotsassen in einer Verordnung des Bischofs
1668 zugesprochen. Ihnen wurden Meierbriefe über ihren Besitz
ausgestellt. Aber davon wurden die bäuerlichen Geldbeutel auch nicht
voller!
Die Hörigen - auch Laten genannt - hatten zu leisten:
Landzins entspricht der heutigen Grundsteuer
Dienste 2 Tage wöchentlich
Korngefälle für alle Höfe als Naturalabgaben einzeln festgesetzt
Zu den 2 Tagen Frondienst kamen noch zusätzlich: Klapperjagden,
Riegegehen, Besserung der Dorfwege, Mai- und Herbstbede (= Betoder
Almosengeld), Ostereiergeld, Feuereimerpfennig, Armenhaus-Limlage - und
wahrscheinlich noch einiges mehr!
Die Abgaben wurden in Wehrstedt zu Michaelis geleistet und im Zinsbuch des Laten quittiert. Hier wird in einem Wehrstedter
Zinsbuch des 18. Jahrhunderts der Landzins mit Pfennigzins bezeichnet
und die Abgabe von 1 Taler, 4 Groschen, 3 Pfennigen bestätigt
:
Im Durchschnitt war zu rechnen:
Zehnt für 1 Morgen 14gGroschen
1 Spanndiensttag 16gGroschen
1 Handdiensttag 3 gGroschen und 4 Pfg.
Als Durchschnittspreise galten vor etwa 150 Jahren:
1 Himpten Roggen 16gGr.
1 Himpten Gerste 12gGr.
1 Himpten Hafer 8gGr.
1 Lammfell 14 gGroschen
1 Schlackwurst 14 gGroschen
0,5 Schock Eier 12 gGroschen
1 Pfd. Federn 20 gGroschen
1 Huhn 3 gGroschen
1 Gans 1 Taler
Tuch 30 Taler
1 Bund Garn 1 Taler 20 gGr.
Der Himpten vom Gutshof
Mitte des vorigen Jahrhunderts sah die Einkommen- und Ausgabenrechnung für einen Kotsaß etwa so aus:
Ein Morgen Land lieferte bei der Dreifelderwirtschaft in 3 Jahren:
13 Himpten Roggen zu 24 MGr.=8 Taler 24 MGr.
20 Himpten Hafer zu 12 MGr.=6 Taler 24 MGr.
11 Himpten Bohnen zu 24 MGr.=7 Taler 12 MGr.
Brutto-Ertrag: 22 Taler 24 MGr
Die Ausgaben betrugen:
Für Einsaat:
2 Himpten Roggen 1 Taler 12 MGr.
3 Himpten Hafer 1 Taler
3 Himpten Bohnen 2 Taler
Gespannarbeit 8 Taler 24 MGr.
Drescherlohn 1 Taler 15 MGr.
Sonstige Handarbeit 2 Taler
Der Aufwand insges.16Taler 15 MGr.
Somit blieb ein Überschuß von 6 Talern und 9 Mariengroschen. Das war
ein jahrlicher Reinertragn von 2 Talern 3 MGr Die Lasten für den Morgen
betrugen 2 Taler 2 MGr. 2 Pfg. So blieben dem Kotsassen von den
Früchten seiner Arbeit pro Morgen 6 Pfg.!
Da ein Kotsaß etwa 10 Morgen besaß, behielt er für ein Jahr harter Feldarbeit 13 Mariengroschen und 4 Pfg.!
Es wundert daher nicht, wenn die Wehrstedter alle möglichen
Nebenerwerbe betrieben. Neben dem Leineweben war es vor allem das
Borken:
Man schlug im Mai im Bauernwald die gut armdicken Eichenslämme. Diese
wurden geschält d. h. geborkt. Die vom Stamm geschälte Borke wurde zu
etwa 3 m langen Wasen (Bündel) gebunden und in die Bodenburger
Lohgerbereien gefahren. Dort wurde die Eichenrinde zur Lohe benötigt,
in der die Häute zu Leder gegerbt wurden.
Das geschälte Stammholz wurde auf dem Hofe gasägt, gespalten und zu
einem Holzstoß aufgeschichtet. Eine oder mehrere dieser Diemen stand
vor jeder Haustür und lieferte das Scheitholz für den Winter. In den
Waldparzellen - auch Borkenteile genannt - wuchs aus den Stuken bald
wieder neuer Jungwald. Aber in den ersten 3 bis 4 Jahren gab es erst
einmal maasenhaft: Heidelbeeren im lichten Jungholz.
Ansonsten wurde das Geld als Handwerker verdient. Denn vor der letzten
Jahrhundertwende gab es weder die Zuckerfabrik Östrum noch das Kaliwerk
Salzdetfurth. Dafür arbeitete im Dorf der Sattler, Stellmacher.
Schmied, Tischler, Prülker, Dachdecker, Schuster, Böttcher und
nachweislich 5 Leineweber! Man tagelöhnerte auch auf dem Gut, auf dem
Ackerhof, in den Bodenburger Lohgerbereien. in der Forst in den
Salzkotten ..
Altes Backhaus
Außerdem war es üblich, daß die Bauernmädchen nach der Konfirmation ein
paar Jahre ..in Stellung" gingen. Auch das brachte im Jahr ein paar
Taler.
Von der Schmiede
Handwerker gehörten seit jeher ins Dorf wie Kotsassen, Pastor oder
Schulmeister. Hier ist der Schmiedemeister zu sehen, dessen Urgroßvater
als Dorfschmied aus Wesseln zuzog und die Wehrstedter
Schmiede errichtete. Ob vorher eine Gutsschmiede bestanden hatte, wurde nicht überliefert
Ein Stück handwerklicher
Schmiedekunst ist noch heute an der Kirchentür zu bewundern..
Handgriff. Schloß und Riegel - "...hundert Jahre alt und
..funktioniert" noch immer
Brauchtum
Vom alten Brauchtum ist fast nichts erhalten geblieben. Besonders die
Zeit nach dem 2. Wellkrieg hat im Dorf viel und die Dorfgemeinschaft
sehr verändert. Deshalb sind Bräuche und Sitten heute wohl noch
erinnernswert, aber oft nicht mehr lebendig.
Am Martinstag zogen die Kinder durchs Dorf und sangen vor den Türen
,,Martin is en guet Mann ...". Gab es dann Äpfel oder Nüsse, wurde den
Spendern ein Dankreim gesungen. Gab es nichts, sangen
die Kinder ein Schimpflied in allerlei Variationen: "Aschen In de
Tuten, sei hetne swane Snuten!' Oder' .Aschen in der Metlen, . ."
Am Johannistag ging man mittags Schlag 12 Uhr los, das Johannisblut zu
suchen. Es saß an der Wurzel des Johanniskrautes (Habichtskraut =
hieracium pilosella) und wurde in Federkielen aufbewahrt.
Es brachte Glück, heilte auch Krankheiten und wenn man einem Mädchen
heimlich davon etwas an das Kleid wischte, hatte ... (s.o.: Glück).
Am Abend des 1. Ostertages wurde- meist über den Gärten oder am
Knotenblek das Osterfeuer angezündet. Der Brauch stammt wohl noch aus
heidnischer Zeit und sollte den Winter austreiben'. Oft mußten in der
Nacht vorher Wachen gestellt werden, damit die Jugend aus den
Nachbardörfern den Holzhaufen nicht aus Schabernack schon in der Nacht
zuvor ansteckte.
Ebenfalls am 1. Ostertag wurde vom Schellborn das Osterwasser geholt.
Man benutzte dazu einen Krug, durfte beim Schöpfen kein Wort sprechen
und mußte möglichst in aller Herrgottsfrühe wieder zurück sein, sonst
ging die Heilkraft des Osterwassers verloren, Wusch man sich damit,
blieb man gesund. Es wurde auch dem Vieh in die Tränke gegeben, damit
es gedieh. Die Mädchen glaubten, daß sie vom Osterwasser schön würden,
falls es vor Sonnenaufgang im Schellborn geschöpft sei.
Zur Fastnacht gingen die Burschen und Mädchen zum "Krug". Die Mädchen
wurden von den Burschen gemeinsam abgeholt. Bei dieser Einladung mußten
die Dienstherrschaften oder die Eltern Würste schenken. Die wurden auf
einer langen Stange oder Heuforke mit zum Krug genommen und abends dort
gemeinsam verzehrt, mit Sauerkraut, Brot und Bier.
Außerdem fand zu Fastnacht eine volle Gemeindeversammlung statt, auf
der erst die Gemeinderechnung offen abgelegt, Gemeindeabgaben
festgesetzt, der "Sprützenhauptmann" bestimmt oder ein neuer
Gemeindehirte gewählt wurde. Dann aber kam das Beste: Bier, Tabak und
Branntwein wurden jedem nach Belieben auf gemeinschaftliche Kosten
verabreicht. Kuh- und Schweinehirt hatten dabei einzuschenken und
reichten auch Sauerkraut und Hering. Heute hat sich der Brauch in
abgewandelter Form als Wildschwein-Essen erhalten. Das Wildschwein muß
der Jagdpächter den Feldmarksbesitzern zusätzlich zum Pachtgeld
liefern.
1830 wird aufgezeichnet, daß ein Brauch recht langen Flachs auf den
Feldern bescheren sollte. Die Mädchen stiegen am Himmelfahrtsnachmittag
auf den Kirchturm und läuteten mit allen Glocken, damit sie eine gute
Flachsernte bekämen. Jedes Mädchen mußte einmal das Glockenseil
festhalten, und wer am höchsten schwang, bekam den längsten Flachs.
Am 1.Pfingsttag schmückten die Mägde die Kühe mit Kränzen und Bändern,
ehe sie auf die Weide getrieben wurden. Das geschah auf den
Pfingstanger im Lammetal, weil dort um diese Zeit das Gras am höchsten
stand.
Wenn der Bauermeister (Dorfschulze, I.Vorsteher) mit der Gemeinde etwas
zu beraten hatte und eine Gemeindeversammlung einberief, stieg er
selbst auf den Turm, läutete ein Schauer und schlug dann mit dem
Klöppel schnell 3 Schläge hineinander.
Jeder Wehrstedter wußte dann, daß "es den Bauern geläutet hatte". Ab
unserer königlich westfälischen Zeit wurde das "Ausbimmeln" dann vom
Büttel (Gemeindeboten) mit der Handglocke erledigt. Wahrscheinlich
geschah es zu oft, daß der "Maire" Neuigkeiten bekanntgeben mußte -
meistens neue Steuern oder deren Erhöhung !
Eheleute, die noch ohne Kinder waren, mußten alljährlich zu Michaelis
dem Pastor einen Hahn geben, den sogenannten Geduldshahn. Denn der
Ortsgeistliche mußte Geduld üben, wegen der entgangenen Taufgebühren!
(Anm.: Der Chronist ist sich nicht ganz sicher, ob er dieses
"Hahnopfer" im Abschnitt Brauchtum oder unter Steuerlasten vermerken
soll.) Solange noch Adlige auf dem Gute Wehrstedt wohnten, hatten sie
die niedere Gerichtsbarkeit: Sie durften zu Leibesstrafen, aber nicht
zu Lebensstrafen verurteilen. Sie hatten also nicht über Todesstrafen
zu befinden. Für einige Straftaten stand ihnen der Pranger zur
Verfügung. An der vorderen Außenmauer des Gutshofes war das Halseisen
angekettet, in das der "Malefikant" geschlossen wurde. Auf einem
Umhängeschild wurde die Straftat öffentlich angezeigt, angeprangert".
Im Mai 1857 hatte das Solebaden "im Salze" begonnen. Der Badebetrieb
florierte, besonders an den Feiertagen kutschierte man "nachm Solte"!
Zu Kaiser Wilhelms Zeiten wurde es dann Brauch, daß die Bauern am 2.
Pfingsttag nach Salzdetfurth fuhren. Und waren die Straßen auch noch so
zugestopft, die Wehrstedter spannten an und brachten ihre
unverheirateten Töchter mit der Kutsche zum Kronprinzen oder Kursaal.
Es wurde angespannt, im Salze war Heiratsmarkt! (Wie Fräulein Tochter
sich wohl gefühlt haben mag, wenn sie "ausgeguckt" wurde ?)
In der Walpurgisnacht, also am Abend vorm 1. Mai, holten die jungen
Burschen Mai aus dem Wald. Das waren junge Birken, die dann den Mädchen
vor die Haustür genagelt oder unters Fenster gestellt wurden. Manche
Bauerntöchter oder Mägde haben dann am Morgen ihre Birken zählen
können, manche mußten wohl auch ohne Maigrün auskommen. Heiratete ein
Mädchen, wurde ihr von den Freundinnen "der Jungfernkranz gewunden",
aus Myrte für die Braut, aus Buchsbaum um die Haustür, aus Tannengrün
für den Kircheneingang. Am Polterabend wurden indenes Geschirr und
Steine geworfen. Je mehr am anderen Morgen wegzuräumen war, desto
größer war Ehre und Ansehen. Hatte der Bräutigam vorher eine andere
Freundin oder Braut gehabt, bekam diese einen Strohkerl vor das
Kammerfensfer gestellt. Hatte die Braut vorher einen anderen Freund, so
wurde in der Nacht der Weg von ihrem Haus zur Kirche mit Häcksel (oder
Kabe, Kaff) bestreut.
Kam dann das Brautpaar aus der Kirche, wurde es vor dem Haus der
Brauteltern mit einembändergeschmückten Glas Wein oder Bier begrüßt.
Hatte die Braut es leergetrunken, warf sie es über den Kopf. Zerbrach
es, so bedeutete das Glück. Je größer die Scherbenzahl, desto größer
das Glück!
Die Flurnamen unserer Feldmark
Seit Jahrhunderten hat jedes Stück Feldmark, jedes Flurstück und jede
Waldparzelle einen Namen. Diese sind alle sinngebunden und nennen die
Lage oder Beschaffenheit, den Besitzer oder Verwendungszweck, oder
andere Eigenschaften und Merkmale. Manche dieser Namen sind
plattdeutsch bzw. niederdeutsch erhalten geblleben. Dabei läßt die
phonetische Schreibweise kleine Abweichungen zu. Trotzdem ist der
Sinngehalt noch Immer erkennbar.
Diese Flurnamen-Sammlung enthält auch Namen vom Salzdetfurther
Papenberg, der bis vor ca. 40 Jahren noch Wehrstedter Feldmark war. Die
Grenze verlief im Norden am Horstbach, im Nordwesten an der Lamme
entlang. Erst 1930 wurde diese Feldmark auf Drängen des Kaliwerkes dem
Flecken Salzdetfurth zwangsweise angegliedert.
Die erste Sammlung dieser Flurnamen wurde 1949 von dem damaligen Pastor Cordes erstellt.
Heute noch halten auch einige Straßennamen die Erinnerung an alte
Flurbezeichnungen wach: Im Lammetal, An der Lehmkuhle, An der
Schafweide, Unterm Ziegenberg, Im Salzgrund.
Auch einige plattdeutsche Wegebezeichnungen kennt man noch Im Dorf:
Im Ahnepaule (Im Entenpfuhl, Ententeich)
Am Slagbaum (Schlagbaum)
De Kerkengasse (Gasse, zur Kirche hin)
Möhlenstrate (Mühlenstraße, heute Schmiedestraße)
Uitschenpump (Unkenpfütze, Froschtümpel)
In Winkl (ein winkliger Weg, heute: Am Sportplatz)
Opn Pheilippschen Hoffe (Philippscher Hof, Parkplatz vor der Schule)
De Trahnen (tiefe Radspuren im feuchten Wegegrund)
Dei deipe Strafe (Die tiefe Straße, besteht heute nicht mehr)
Flurnamen:
Ahnepaule (Entenpfütze, Dreckwasser)
Brander Siek Brandhai, Brandheide (Heideland durch Brandrodung urbargemacht)
Auf dem Bruche
Am Bodenburger Weg
Bodenburger Feld
Am alten Berge
Am Berge
Baumbleek
Der Büh
Bültumer Heide
Dörenberg (ausgedörrter Hang)
Überm Dorfe
In den Eichen
In der Fronenwiese
Die Flachsrotten
Der Forsthof
Im kleinen Felde
Am Freistrang
Die Glüsing
An der schiefen Griehe
Vorm Gallberg
Hinter den Gärten
Die Galgmühle
Die Grandgrube
Grabenwiese
Über Grebens Garten
Der Gerkamp (Bauer Gerbes Kamp)
Am Hainholz
Haidsgrund
Haidskamp
Herrenwiese (dem Herr v. St. gehörig)
Vor der Horst
Der Holzmorgen
Im Hohle
Horstriete (Horstsiek)
Die Landstraße
Am Liethweg
De Marsch / In der Masch (Marsch - angeschwemmtes Land)
Hinter der Mühle
Die Mühle im Dorf (dagegen: Bergmühle, Neue Mühle)
In den 5 Morgen
Am Mühlengraben
Die Mergelkuhle
In den 18 Morgen
Im Ohfelde {= feuchte Aue vorm Hang, auch vor Evensen und dem Egenstedter Sonnenberg)
Unter der Ohe
Am Papenberg (Pape - Pfaffe/ Pastor, Weg des Detfurther Pastors nach W.)
Pfingstanger (wo der Viehauftrieb zu Pfingsten geschah)
Der breite Platz
Im Rische
Die Reihwiesen
In den Steinäckern
Hinter der Schmiede
Überm Salzdetfurther Weg
Seelfeld Der Seel (Süll, höher gelegen, aber flach, s. Solling)
Schloßgarten
Auf dem Sandbrink
Stukenkamp
Schilligs Stück
Am Schlagbaumswege
Schmaler Siek
Schaperwiese (Schäferwiese)
Schmiedebrücke
Der Soltgrund (Salzgrund)
Schäferkamp
Vor dem Sohle
Heistergrund (H. = Elster, auch Eichelhäher oder Schonung)
Der Hundebrink
Hinterberg
Das Hainholz
Auf dem Hausbrink (Brink = Abhang am Ortsrand)
Auf dem kurzen Kampe
Kuhförde (Furt, seichte Stelle im Fluß)
Kuhkamp
Hinterer Kamp
Bei der Kuhtränke
Kälberwiesen
Klus
Knotenblek
Knotenplatz
An der Klinkhecke
Klosterforst (Besitz der Klosterkammer)
An der Lamme
Über der alten Lehmkuhle
Lücken Kamp (platt: lüttge - kleine)
Im Lammetal
Beim Schellborn
Überm Siekbusch
Der Schleppweg
Sandbruch
Schweinestallsgrund
Über den Trahnen
Im Teichgarten
Tappenwiese
An der Twetje (Weg, der sich gabelt, an den 2 Wegen)
Teichkamp
Der Überfall (Wasserschütt, Wehr im Bach, Überlauf)
Viehweide
In der großen Wiese
Weißenstein-Feld oder weißes Steinfeld
Wietföhr (weite, seichte, flache Durchfahrt im Flußbett)
Schilligs Winkel
Am Weißen Stein
Im langen Winkel
Ziegenberg
Unterm Ziegenberg
Die Flachsrotten
liegen heute noch deutlich sichtbar neben dem Weg im Brander Siek und geben manchem Vorübergehenden Rätsel auf.
Die Flachsrotten liegen etwa 100 m hinterm Dorf (im Lammetal, 1. Weg
links). Der Knotenblek liegt rechts der Treppe, neben dem Fußweg über
Kaufmann Habenicht (heute: Grundstück Hietzig). Beide Flurstücke sind
immer Allmende gewesen, gehörten also allen Wehrstedtern. Als in der
Verkopplung 1849 die Flachsrotten aufgeteilt wurden, kamen die unteren,
großen an den Ackerhof und die Kotsassen, die mittleren an die
Brinksitzer und die oberen, kleinen je an zwei Anbauern. Aber die
letzten Rösten = Rotten blieben für Häuslinge, auch der Knotenbiek,
damit die "kleinen Leute" auch weiterhin ihre Flachsbündel im
Brandersiek rotten und auf dem Fleck (kleiner, freier Platz) in der
Sonne darren konnten.
Der Flachs - auch Lein genannt - wurde angebaut, um die Faser für
Leinen zu gewinnen. Die Flachsstengel wurden etwa 80 bis 100 cm hoch
und gediehen auch auf feuchten und kühlen Lagen. Flachs war also
regelrecht für die Hälfte der Wehrstedter Böden geschaffen. Wenn der
Flachs blühte, sah das Feld himmelblau aus. Er wurde dann durch
Insekten bestäubt und trug Kapseln, deren Samen sehr ölhaltig waren und
das begehrte Leinöl lieferten. Es war die Grundlage für Firnis,
Ölfarbe, Seife, Druckerschwärze . . .
Das beste aber lieferte der Stengel. Bevor er verholzte, wurde der
Flachs ausgezogen, nicht gemäht, weil ein Teil der Fasern dann in den
Stoppeln geblieben wäre. Er wurde gebündelt und vom Samen befreit. Das
heißt: Er wurde gerauft, geknotet und geriffelt.
Die zähen, langen Fasern, die unter der Rinde des Stengels sitzen,
waren der Rohstoff für die Leinwand. Aber um sie herauszulösen, wurde
der Flachs erst 2-3 Wochen lang in das fließende Wasser der
Flachsrotten gelegt und mit Steinen beschwert. Fließen mußte das
Wasser, weil der Flachs rotten, rösten sollte, aber nicht verrotten.
Auf dem Knotenbiek wurden die aufgeknoteten Flachsbündel in der Sonne
gedarrt, dann mit der Breche gebrochen, geschwungen (um die Holzteile
zu entfernen) und durch einen Flachskamm gezogen, um Werg und Fasern zu
erhalten. Das heißt: Er wurde gerottet - geröstet, gedarrt, gebrochen,
geschwungen und gehechelt.
Dann wurde das kurzfasrige Werg von den langen, großen Fasern {Reinflachs oder Reinlein) gesondert und verkauft.
Installateure benutzen es heute noch beim Dichten der Rohrgewinde.
Polsterer nahmen das Werg zum Polstern, auch Stricke (besonders
"Kälberstricke") und Packleinwand oder Rupfen wurden daraus
hergestellt, und sehr gute Papiersorten.
Diese gelagerten Flachs-Nebenprodukte wurden dem Kotsaß Christian Ohms
zum Verhängnis, als bei einem Gewitter am 25. April 1885 der Blitz
einschlug, Flachsdocken und Werg und Leinsamensäcke Feuer fingen und
Stall und Scheune und Wohnhaus abbranten.
Die Docken kamen dann aufs Spinnrad. Die Fasern wurden zu Fäden
gesponnen, was oft an den langen Winterabenden in den Spinnstuben
geschah.
Fast in allen Wehrstedter Häusern haben um die Mitte des 19.
Jahrhunderts Webstühle gestanden. Waren die Häuser zu klein, entstanden
Anbauten (Utluchten) am Giebel des Hauses, die die Webstühle aufnahmen,
wie bei H. Brinkmann Nr. 29, H. Schinkel Nr. 35, N. Brandt Der Webstuhl
stand hier in der sogenannten Webstube, im Erdgeschoß. Nr. 18 und bei
Wilhelm Grebe Nr. 12.
Die Flachskammer war im Obergeschoß. Das Weben war immer Sache der Männer. In den damaligen
Einwohnerlisten taucht sogar die Berufsbezeichnung Leineweber mehrmals
auf: Heinrich Gerbes, Christian Vespermann, Carl Nehrig, Heinrich Grebe
(Nr. 70), Wilhelm Gerbes. Gewebt wurde auch bei Ecken-Gerbes, Chr.
Jordan u. v. a. Verkauft wurde das Leinen in Bockenem oder Hildesheim.
Oft wurde es " samt Eiern und Butter " in die Kiepe gepackt und dort in
einschlägigen Geschäften oder auf dem Markt verkauft. Nur der "grote
Schillich" wich von der Norm ab: Er stakte den Tagstock (Spazierstock)
im Leinenballen entlang, nahm ihn über die Schulter - und ab ging's, zu
Fuß über den Roden nach Hildesheim.
Von den Leineweber-Werkzeugen war die Hechel besonders bei den Kindern
gefürchtet. War 'mal nicht die rechte Lust zur Schule vorhanden, hieß
es: ". . . watte, da west de mit de Hechel halet!" (Warf nur, da wirst
du mit der Hechel geholt!)
Das gewebte Leinen mußte vor dem Verkauf erst in einer "Königl.
Linnenlegge" zur Begutachtung vorgelegt werden. Der "Legge"-Meister
klassifizierte und stempelte das Leinen. Solche Linnen-Leggen -
Prüfämter - gab es in Lamspringe, Bockenem und Hildesheim. Die
Wehrstedter Leineweber bevorzugten die Legge in Hildesheim und
verkauften dort an die Händler, die das Leinen bis nach Portugal
weiterverkauften.
Daß die Leineweber keinen Reichtum erwerben konnten, zeigt der folgende Preisvergleich:
60 Bund rauhen Flachses sa. 10 Taler
1 Haspel, 1 Wocken je 1 Taler
1 Kuh 30 Taler
1 Booten reinen Flachses 1 Groschen
1 Leinen-Handtauch 10 Groschen
1 Sack 13,8 Groschen
Viele noch in den Bauernhäusern Wehrstedts vorhandene Leinenware könnte
eine kleine Ausstellung füllen: Handtücher, Aussteuersäcke,
Leinenwäsche, vor allem aber Bettücher - mit eingewebten roten
Seitenstreifen!
Die Leineweberei prägte das Dorf, als die Not am größten war. (Selbst
im Spottlied von der Leineweberzunft halten sie "mit Fasten"
Zusammenkunft!) Das notgedrungene Nebenherverdienen brachte die Männer
an die Webstühle, aber auch zum Borken in den Wald. Die Not linderte
sich erst ein wenig, als Johann Jacob Schillig 1854 mit noch 3
Kotsassen nach Hannover fuhr, in der Königl. Klosterkammer das Elend
schilderte und um Pachtland bat. 300 Morgen Ackerland und 45 Morgen
Wiese wurden daraufhin an die Wehrstedter Bauern
verpachtet.
Die Not und auch die Leineweberei hörte auf, als um 1900 das Kaliwerk
entstand und durch die Kalidüngung der Zuckerrübenanbau ermöglicht
wurde.
Wehrstedter Bäuerin spinnt Flachs
Alte Wehrstedterinnen haben heute noch handgewebtes, von der Mutter
vererbtes Leinen, das damals der Stolz des Brautschatzes, der Aussteuer
war. Je nach der Feinheit des Gewebes wurden diese Leinenstoffe als
Batist, Leinwand, Zwillich, Drillich oder Sackleinen verkauft oder von
der Braut mit in die Ehe eingebracht.
Der damalige Wehrstedter Lehrer Steinborn schreibt dazu: "Bis ...
(1870) ... lebten die Einwohner in den denkbar dürftigsten und
ärmlichsten Verhältnissen. Obwohl seit . . . (Revolution, 1848) . . die
Pacht für die Klosteriändereien nur sehr gering war, wollten die
finanziellen Verhältnisse sich immer noch nicht bessern. Die Ländereien
brachten kaum so viel auf, als zum Lebensunterhalt nötig war . . . In
dieser Not und Armut wurde die Handweberei in jedem Hause des Ortes als
Nebenerwerb betrieben. Was die Landwirtschaft versagte, mußte die
Weberei aufbringen. Als allmählich durch künstliche Düngemittel (ca
1900) und bessere Beackerung des Bodens die Erträge desselben so gut
wurden, daß sie die Bewohner ernähren konnten, da hörte die Hausweberei
allmählich ganz auf."
Werkzeuge zur Plachsbearbeitung
Wehrstedt und das Wasser
Schutz "hinterm" Wasserlauf
Als um
600 n. Chr. die einwandernden Sachsen den Ort gründeten, mag die
geschützte Lage "hinter" den Wasserläufen der Lamme und Riehe mit eine
Rolle gespielt haben. Eigentlich hatte die Stätte keine sehr günstige
Lage: Am Nordhang, eingeklemmt zwischen Ohe und Sauberge, schlechte
Böden usw. Aber "wer zuletzt kommt, der .. ". Günstigwar die Ortslage,
weil Lamme und Riehe Schutz vor Eindringlingen und Feinden bot. Die
früheren Heerstraßen und Handelswege führten drüben an der Klus vorbei
nach Ganders-heim, bzw. unterm Ziegenberg entlang in den Ambergau.
Selbst von der heutigen Schmiede her war das Dorf nur durch eine Furt
erreichbar. Obwohl dieser Weg der "Burgweg", also nur die Zufahrt zur
Burg gewesen sein mag, entstand bald ein schmales "Steinern Gewölbe"
als Lammebrücke.
Die eigentliche Zufahrt zum Dorf kam von Osten her, am südlichen
Lammeufer durch die Tranen. Oder sie kam von Nordosten, vom kleinen
Berg her durch die Lamme und den Mühlgraben, am lüttgen Backhaus vorbei
ins Unterdorf zum Uitschenpump. Auch auf diesem Zuweg werden vor 200
Jahren schon 2 steinerne Gewölbe erwähnt.
Der Mühlgraben
Der Mühlgraben führt
das Wasser heute noch vom "Überfall", dem Mühlenwehr hinter der
Dorfstraße 6, durch den Heller zur Mühle. Die Mehl- und Schrotmühle
wurde 1524 als "herrschaftliche" Mühle erbaut. Sie wird durch ein
oberschlächtiges Wasserrad angetrieben. Das Wasserrecht des Müllers ist
primär (vorrangig). Er darf alles zufließende Wasser aus der Lamme und
den zufließenden Gräben und Bächen zunächst vom Mühlenwehr zu seinem
Mühlrad führen. Nur der Rest des fließenden Wassers verbleibt im
Lammelauf an der Nordseite der Herrenwiese und darf für andere Zwecke
genutzt werden: Viehtränke, Wiesenbewässerung, Pferdeschwemme . .
Das "Schwarze Wehr" im alten Lammebett
Bis vor etwa 200 Jahren begann der Mühlgraben am Schwarzen Wehr. Reste
dieser Anlage sind noch heute in der Wiese des Grundstückes Kaufei
(Lammetal Nr. 59) zu erkennen. Sie bestand aus Eichenholz, das sich
durch Alter und Nässe schwarz färbte.
Damals floß die Lamme noch mitten durch die heutigen Grundstücke
Lammetal Nr. 81 bis Nr.l, wo heute der "Abzugsgraben" liegt. Wegen der
besseren Wasserzuführung zur Mühle wurde das gesamte Flußbett
südlicher, direkt an die Tranen verlegt und ein neues Mühlenwehr, der
noch heute bestehende "Überfall" gebaut.
Die Mühle
Die Mühle ist 1607 als "herrschaftliche" Mühle erbaut worden, gehörte
also zum Gut. 1878 wurde sie an den Müller Heinrich Baake verkauft.
Nach seinem Tod wurde sie an den Müller Pinkepank verpachtet und kurz
vor der Jahrhundertwende an den Müllermeister Emil Moritz verkauft, der
sie an seinen Sohn Emil Moritz vererbte. Seit dessen Tod steht die
Mühle still. Die Mahlgänge könnten aber jederzeit wieder in Gang
gebracht werden. Sie war eine Schrot- und Mehlmühle und hatte - für
Leinsamenöl - eine Ölmühle angeschlossen. Die Sägemühle wurde erst in
diesem Jahrhundert angebaut. Angetrieben wurde das Mühlwerk von einem
oberschlächtigem Wasserrad. Das gesamte Mahlwerk ist noch
funktionstüchtig. Es ist nur schade, daß das schöne Mühlrad unter einem
Überbau versteckt, von der Mühlenstraße her nicht sichtbar ist.
Geschnitzte Knaggen unter der Dachtraufe der Mühle
Von der guten, alten Zeit künden heute noch Reste einer sehr schönen
Schnitzerei über der Tür und ein sehr kräftiges und gut erhaltenes
Eichenfachwerk von erstaulichen Maßen. Das Dachgebälk wird von
beschnitzten Knaggen gestützt. Sie stützen die hervorstehenden
Balkenköpfe unter der Dachtraufe, sind nicht nur künstlerisch und
bauhistorisch wertvoll, sondern künden auch von einem gewissen
Wohlstand des Erbauers oder Besitzers.
Faschinenwege
Das etwa 100 m breite
Gebiet nördlich der Mühle muß in früheren Jahrhunderten so feucht
gewesen sein, daß der Burgweg (heutige Schmiedestraße) mit Knüppeln und
Wasen befestigt war. Bei der Straßenerneuerung 1962 wurden Reste dieses
Knüppeldammes wiederentdeckt. Ebenfalls mit Wasen befestigt war der
untere Teil des Schlagbaumweges, östlich von Cromes Scheune. Auch der
Weg am Uitschenpump\(etwa Dorfstraße 3-13) und der Weg zum Kothof Nr.
10 (Ebeling-Lüke) mögen so befestigt gewesen sein, weil der Untergrund
feucht oder morastig war. Nur der Feldweg "in den Tranen" wurde nicht
befestigt - sonst hätte er wahrscheinlich einen anderen Namen erhalten.
Teiche, Tümpel, Quellen
Teiche, Tümpel und Quellen gab es seit eh und je genug im und beim
Dorf! In den Ritzen und Spalten des Mergelgesteins der Ohe wird soviel
Wasser geführt, daß am Fuße des Nordabhangs überall Quellen entsprangen
oder Feuchtgebiete entstanden, denn die Mergelschichten hängen nach
Norden.
Die ergiebigste Quelle soll im ehemaligen Burggraben gewesen sein. Sie
speiste den ehemaligen Burggraben, der Anfang des 19. Jahrhunderts
zugeschüttet wurde. Der Brunnenspiegel lag etwa 20 cm unter der
Oberfläche und ist erst in den letzten 10 Jahren auf über einen Meter
gefallen. Benutzt werden durfte dieser Brunnen auch von den Nachbarn,
sofern sie sich an der Unterhaltung beteiligten. Besonders die Leute
unterm Ziegenberg mußten bis 1929 noch mit der Schanne ihr Trinkwasser
vom Burghof holen.
Etwa 6 Meter neben diesem Erker liegt an der Burgmauer noch heute die "Burgquelle"
Weitere 9 Quellen lagen hinter dem Philippschen Hof - der heutigen
Schule - deren offener Abfluß erst beim Schulneubau 1962 dräniert,
verrohrt und abgeleitet wurde. Bis dahin wurde das klare, kühle Wasser
noch von den "Winkel "-Anwohnern genutzt.
Auf der Wiese nördlich des Schinkelschen Kothofes (Am Sportplatz 3) war
ein Teich von ca. 6 m Durchmesser, der eine eigene Quelle und auch
Zulauf vom Pfarrbrink her hatte. Auch er ist vor ca. 60 Jahren
aufgefüllt und zugeschüttet worden.
Die Wolfschen Karpfenteiche lagen ca. 150 m weiter nordwestlich, etwa
bei den Weidenbüschen links des hölzernen Lammesteges. In den 4 Teichen
waren Karpfen ausgesetzt, die aber nicht recht gediehen, weil die von
unten speisenden Quellen zu kaltes Wasser lieferten.
Der alte Ententeich im Hinterdorf (An der Kirche 6) bestand bis 1868
und hatte selbst in heißen, trockenen Jahreszeiten so viel klares
Wasser, daß die Anlieger ihr Vieh dort tränkten bzw. das Tränkwasser
von dort holten. Als die Schule dorthin gebaut wurde, ist der Teich
zugeschüttet worden.
Hinter den Hofgrundstücken Dorfstraße 31-35 stand das Grundwasser auch
so hoch an, daß Sauergräser in der Wiese wuchsen. Der "Heller" mußte
durch ein Eichenrohr entwässert werden, das unter den Mühlgraben
hindurch in die Herrenwiese führte.
Jenseits des Lammebettes gab es nur Salzwasser in den Brunnen. Eine
Quelle am rechten Uferabhang, etwa vor den Anbauern Ch. Nehrig und Aug.
Fischer (heute Nr. 46 und 47) - hatte so starken Salzgehalt, daß die
Bengels das Quellwasser wieder ausspuckten, wenn sie beim Spielen in
der Lamme davon probierten.
Die alte Schwengelpumpe vom Schukenbrink
7. Brunnen im Dorf
Die "obere" Hälfte der Ziegenberg-Leute holte Trinkwasser aus dem
"Bäckerbrunnen". Er stand an der Gartenecke beim lüttgen Bäck, wo der
Weg in die Herrenwiese von der Dorfstraße abzweigt. Weitere öffentliche
Brunnen waren an der "hogen Strate" vorm Hirtengarten (etwa Dorfstraße
25), am Schukenbrink (Dorfstraße 26) für die Bewohner des Oberdorfes
und an der Ecke Förstergasse-Kirchweg fürs Hinterdorf. 7 öffentliche
Brunnen waren im Dorf, die zuletzt meist mit Schuken-Schwengelpumpen
bestückt waren. Sie wurden bis 1929 benutzt und waren oft Treffpunkt
oder "Kommunikationszentrum", wenn mit der Schanne (dem Tragholz) das
Trinkwasser in den Holzeimern geholt wurde.
Der Wasserweg
Der Wasserweg ist
heute noch vom Mühlgraben her deutlich zu erkennen. Der Weg führt noch
heute als etwa 2 Meter breiter Streifen vom Mühlgraben hinauf ins
Oberdorf, zwischen den jetzigen Grundstücken Gerbes-Hinrichs und Fricke
(Dorfstraße 35 und 37). Dieser Wasserweg durfte nie bebaut oder
bepflanzt werden, und die Kotsassen Heinr. Herrm. Gerbes und Heinr.
Mahnkopp (Nr. 5 und Nr. 6) hatten als Anlieger das Gras kurzzuhalten.
Der Weg mußte ständig freibleiben, weil bei Feuersbrunst die Eimerkette
das Löschwasser vom Mühlengraben her ins Oberdorf brachte. Jeder
erwachsene Einwohner war gesetzlich verpflichtet, sich mit seinem
Feuereimer dort einzureihen. Die ledernen Feuereimer waren vom
Feuerpfennig, einer Gemeindesteuer, bezahlt und mußten in jedem Haus
griffbereit aufbewahrt werden. Als dann um 1860 von diesem Feuerpfennig
die erste Handspritze gekauft wurde, galt das Interesse "de Sprütze",
das Wissen um die Existenz des Feuerweges schmälerte sich, die meisten
Ledereimer sind wohl längst auf dem Sperrmüll gelandet.
Auch sonst war für eine Feuergefahr alles genau geregelt. In der sogenannten Feuerordnung hieß es:
"Erhebt sich ein Feuer, so sollen die Träger Wasser tragen, dafür soll
man ihnen Lohn geben. Kommt aber einer nicht, soll er in 8 Tagen . . .
im Stock sitzen . . . Ein Jeder soll in seinem Hause eine lange Leiter
haben, die auf sein Dach reicht und einen Wassereimer, bei 5 Groschen
Strafe . . .
Diese Feuerordnung war gültig seit dem Jahre 1351 und zeigt
beträchtliche Strafen. Wobei Missetäter in Wehrstedt wahrscheinlich an
der "Schandmauer" im Halseisen gestanden haben. Aber der Schutz vor
Brandgefahr war allen Einwohnern ein wichtiges Anliegen.
Im § 47 der Flurordnung der Gemeinde Wehrstedt hieß es:
"Das Legen von Korn- und Stroh-Diemen und -Haufen innerhalb des Ortes
ist gänzlich untersagt. Außerhalb des Orts müssen dergleichen
wenigstens 20 Ruthen von den nächsten Gebäuden entfernt bleiben."
Und wer sich nicht nach der Wehrstedter Flurordnung richten mochte, liest dort eine halbe Seite weiter:
"Geldbuße bis zu fünf und zwanzig Thaler oder Gefängnis bis zu 14 Tagen verwirkt, wer..."
Immerhin war die Wehrstedter Flurordnung am 1.8.1863 mit Genehmigung des Königlichen Amtes Bockenem beschlossen worden!
Fischwaid und Fischrecht
Die
Wehrstedter Gräben und Flüsse müssen nicht nur wasserreich, sondern
auch gut mit Fischen besetzt gewesen sein, so daß Fisch eine Art
"Volksnahrung" gewesen ist. Da das Fischrecht dem Gutsherrn zustand,
ist das Gesinde auf dem Gut wohl so "vollgestopft" worden mit dieser
billigen Kost, daß die Gutsherrschaft alljährlich auf Martini
versprechen mußte, nicht öfter als viermal wöchentlich Fischgerichte
aufzutischen.
Das Fischrecht in der Riehe hatte immer der Gutsherr von Bodenburg.
Heute sind alle fließenden Gewässer verpachtet an den Angelsportverein,
der das Fischrecht allein wahrnimmt.
Im oberen Lammetal
An der oberen Lamme gab es in Höhe des Pfingstangers und der Kuhföhr eine heute nicht mehr bestehende
Schafwäsche. Mit Stangen abgetrennt und mit zwei flachen Ufern
versehen, war dort eine Art Furt, in die die Schafherde zum Waschen
getrieben wurde. Das Wasser mag an diesen Tagen unten im Dorf nicht
mehr zu brauchen gewesen sein. (Obwohl alte Schäfer behaupten, daß
Schafläuse Leber- und Gallenkrankheiten beseitigen.) Der Schafmeister
hat wohl vorher den Schafwäschetag ausbimmeln, d. h. bekanntgeben
lassen.
Noch weiter oben an der Lamme, wenige Meter unterhalb des
Wassereinlaufs vom Schellborn, überquert heute noch ein Steg den Fluß.
Dort war früher eine Furt, durch die der Verbindungsweg vom Söder nach
Bodenburg führte. Er wurde mehr als Reit- und Fahrweg benutzt, weniger
als Wirtschaftsweg. Aber er führte wenige Meter vor der
herzoglich-braunschweigischen Grenze durch Wehrstedter Gemarkung und
mußte von den Wehrstedtern instand gehalten werden. Sie mußten das
Geäst lichten, den Graben und die Furt freihalten, im Sumpfgebiet
Faschinen oder Knüppel legen und Wegspuren verfüllen. Dafür waren die
Wehrstedter berechtigt, diesen Weg mitzubenutzen. Dieses Recht gilt bis
auf den heutigen Tag.
Hochwasser
Hochwassergefahren
bestanden besonders im Westen und Nordwesten des Dorfes und für das
Gut, den Ackerhof Grebe und die Kothöfe Schinkel und Baake und den
Anbauer Friehe.
Besonders im Mai und Juni bestand immer wieder diese Gefahr,
hervorgerufen durch Gewitter oder anhaltende Regengüsse. Dann traten
Lamme oder auch Riehe über die Ufer und überfluteten von Osten oder
Südwesten her die Gemarkung. Ein zeitgenössischer Bericht überlieferte
uns das so:
27.5.1738. In Grafeide sind 3 Häuser mitsamt dem Vieh von den Fluten
fortgespült. In Segeste ist auch ein großer Schaden an Häusern
geschehen, auch viel Vieh umkommen. Almstedt wurde ganz besonders
schwer betroffen. 48 Personen fanden an dem Tage den Tod in den Fluten.
In Breinum sind 2 Häuser fortgespült und 7 Menschen, 17 Pferde, 2 Kühe
und 11 Schweine ertrunken. In östrum waren 18 Häuser eingerissen und
verschlammt, und 6 Pferde, 57 Kühe und 18 Schweine in den Fluten
umgekommen. Im ganzen Dorfe Östrum waren nur 7 Kühe am Leben geblieben.
Auf Salzdetfurth, wo alle Wasser hiesiger Örter zusammenkommen, sind 15
Menschen ertrunken und beynahe 100 Kühe und 50 Pferde umkommen. Auch
sind allda die Häuser sehr beschädigt und viel Mobilien theils draus
weggeflossen, theils auch drinnen ruinieret und verderbet. Das Wasser
hat allda 8 Fuß in der Kirche gestanden."
Hochwasser 1968. Die Herrenwiese steht bis zum Mühlengraben unter Wasser
Am 29.6.1814 wurden bei einem Hochwasser in Breinum der Steg, in Östrum
die Fußbrücke und an der ,roten Brücke' die beiden Brustwehren
fortgerissen. In Salzdetfurth fanden 8 Menschen den Tod in den
reisenden Fluten. 2 Brunnenhäuser und 7 Brükken und Stege waren
fortgeschwemmt, 30 Häuser schwer beschädigt. Salz für etwa 1000 Taler
wurde vernichtet".
Zentrale Wasserversorgung
Die erste zentrale Wasserversorgung wurde 1929 in Wehrstedt verlegt.
Diese Wasserleitung versorgte die "Ziegenberger" endlich mit salzfreiem
Wasser. Das Eimerschleppen vom Gutsbrunnen und der Bäckerpumpe hörte
endlich auf, die Schannen wurden weggestellt!
Die rechtslammigen Wehrstedter hatten eine Genossenschaft gegründet, die den Bau der gemeinsamen
Trinkwasserversorgung finanzierte. Gleich darauf schlössen sich die
"Hinterdörfer" zu einerzweiten Genossenschaft zusammen und bauten sich
ebenfalls eine Wasserleitung. Das Unterdorf baute dann ein Jahr später
ebenfalls, und alle drei Genossenschaften vereinigten sich.
Die Lamme als Grenze
Wo die Lamme die Riehe aufnimmt, hat sie früher einen großen Bogen durchflossen. Da dort immer wieder
Uferböschungen abgespült wurden, der Flußlauf sich dauernd veränderte
und Altwasser (tote Wasserarme) entstanden, wurde vor 100 Jahren dieses
Stück Lamme begradigt. Das Gut besaß die angrenzenden Wiesen und hatte
durch Uferabbrüche allein den Schaden. Es mußte die Flußbegradigung
selbst finanzieren, weil alle Vorteile und das gewonnene Areal des
alten Flußlaufes allein dem Gute zufielen.
In den ehemaligen Altwassern mögen Wildenten genistet haben, die dieser Stelle den Namen gaben: Entenpfuhl, nd. Ahnepaule.
Von dieser Stelle ab war die Lamme Grenze gegen die Gemarkung
Salzdetfurth. Das gesamte Wietföhr, der Papenberg und der Dörenberg
waren Wehrstedter Feldmark. Die Grenze verlief in der Flußmitte bis zur
Badeanstalt - Fuchsbau -M.-Luther-Str. - obere Friedhofshecke-
Göttingstraße - Horstbach. Erst in den letzten 50 Jahren wurde in drei
Abschnitten dieses Wehrstedter Gebiet zwangsweise "umgemeindet", weil
für die Bergleute Bauland gebraucht wurde. In der sogenannten braunen
Zeit entstand dort am Papenberg die erste Bergmannssiedlung auffreiem
Feld.
Alte Hausinschriften
Mühle (Schmiedestraße 4)
Anno Domini X1524
Gerbes (Dorfstraße 39)
Gott! Dieses Gebäude steht in deiner Hand, schütze es vor
Gefahr und Brandt! Heinrich Gerbes Johanne Marie Heuerding Anno 1850
Lücke (Dorfstraße 22)
Ernst Lücke, Minna Lücke, geb. Beckmann 1890
Crome (Dorfstraße 16)
Heinrich Crome Sophie Crome geborene Brinkop 1860*
Luders (Ziegenberg 36)
Wenn dieses Haus so lange steht, bis all der Haß und Neid
vergeht, dann wird es stehen, bis daß die Welt wird untergehen
Leinemann (An der Kirche 4)
ANNO 1830 Wir bauen nicht aus Stolz und Pracht. Die Noth hat uns dazu gebracht. Beschehr uns Gott ein seeliges End.
Nimm unsere Seel in deine Hand. Johann Conrad Andreas Leinemann Johanne Luise Hamann
Keunecke (Am Sportplatz 3)
Wer Gott vertraut ' Hat wohlgebaut . Im Himmel und auf Erd. Johann
Heinrich Schinkel - Marie Sophie Schinkel Geborene Bleckmann ANN01851
A. Forsthaus (Försterstraße 1) ANNO 1604
Anm.: Die beiden sehr schönen Inschriften über den Scheuneneinfahrten des Philippschen Hofes sind seit 1961
verschwunden, als die Scheune wegen des Schulneubaues abgerissen wurde.
Kleines Wehrstedtsches Wörterbuch
Beim Lesen dieser Chronik wird mancher Leser begriffsstutzig werden,
weil einige Ausdrücke, Worte und Begriffe heute nicht mehr gebräuchlich
sind. Hier soll versucht werden, diese heute nicht mehr bekannten, aber
wissenswerten Begriffe in Kurzfassung zu erklären, zu umschreiben oder
zu deuten:
Ackerhof Grebe:
(Sogen. Philippscher Hof, am Sportplatz 10.) Als Ackerhof wurden im
Mittelalter die Vorwerke und Meierhöfe bezeichnet, die nicht
unmittelbar mit derem Kloster verbunden, also selbständig
bewirtschaftet wurden. Später brauchten die Ackerhöfe keine
Lehnsdienste mehr leisten, nur noch Jahreszins an den Grundherrn.
Andernorts auch Meierhof oder Freihof genannt. Hofgröße ca. 3 Hufen (1
Hufe = 30 Morgen). Der Ackermann war Grundbesitzer ohne Dienstleistung
und Abgaben an das Rittergut. Mögl. der Hof des Bruno Rode, der 1217
nach Jerusalem zog
Bleek, Blek:
Ein kleines Stück Feld, Gartenland, freiliegend. Am Knotenbiek wurden die Flachsbündel aufgeknotet und gedarrt.
borken:
Die Rinde (Borke) von jungen Eichenstämmen schälen. Ergab Eichenlohe der Gerbereien.
Brache:
Flachsbreche, zum Brechen des verholzten Flachsstengels. Dazu gehörte
der Hechel = drahtbürstenartiges Gerät, um Holzteile und Leinfaser zu
trennen.
Brink:
Kleiner Abhang am Dorfrand oder zwischen den Kothöfen, nicht pflügbar,
wurde später von Brinksitzern besiedelt (oft Handwerker, zweitgeborene
Bauernsöhne ...). Eigennamen: Brinkmann, Brinkop u.a. -
Ortsbezeichnungen: Schukenbrink (Schuke = Schwengelpumpe) - vor
Dorfstraße 26, Hirtenbrink - vor Dorfstraße 21, Hahnebrink, Steinbrink
. . .
deipe Strate:
= tiefe Straße, verschwundene Dorfstraße zwischen Nr. 15 und Nr. 33.
Föhr:
Furt = flache Stelle im Fluß, die als Durchfahrt diente, Wietföhr = weite F., Kuhföhr.
Grundherr:
Adliger Grundbesitzer, hatte Polizeirechte und niedere Gerichtsbarkeit
(kein "Halsgericht"). Einkommen: Erträge aus 300 Morgen eigenbewirtsch.
Grundsatz + 580 Morgen Wald, Zinsen und Gefälle (naturale Abgaben der
Hörigen) a. d. Dorf.
Halseisen:
Eisenkette mit Halsring und Schloß, am Pranger, d. h. an der Gutsmauer, neben dem Tor.
Heerstrat:
(= Heerstraße, auch Frankfurter Heerstraße genannt) schon 1410 erwähnt.
Egenstedter Sonnenberg - Waldfrieden - Roden -Tidexen - Klusbach -
Gallberg - Lamspringe.
Himpten:
Hohlmaß, wie Scheffel. Hat 25 l Inhalt. 1 Himpten = 50 Pfd. Weizen = 48
Pfd. Roggen (1 Taler 20 Groschen) =30 Pfd. Hafer (20 Groschen).
Hufe:
Auch Ackerhufe = Eigentum an Grund und Boden einschl. der Hofstelle und
der Rechte an der Allmende, entspr. 25-30 Morgen, ein Ackermaß mit
Rechten a. d. Allmende, gehört dem Vollbauer oder Vollspänner, durch
Erbteilung auch Halbhufen (Halbmeier, Halbspänner) und Viertelhufen
(Viertelspänner, Einspän-der). Die Königshufe war doppelt sogroß.
Kamp:
Kleines, eingefriedigtes Stück Ackerland, meist auf schlechten Böden, gehörte nur einem Besitzer.
Kiepe:
Tragekorb, der wie ein Tornister getragen wurde.
Klus:
= Klause, einzelnes Häuschen, Wegewärterhaus, am Klusbach, auch Reparaturstation, weil zeitweilig von einem
Wagenschmied bewohnt.
Malter:
= altdt. Getreidemaß, Hohlmaß, etwa 100-150 liter
Mark:
Bis ins ausgehende Mittelalter hatte die Silbermark (m) einen Wert von 8 Thalern.
Michaelis:
29. September, Zinstag für die Wehrstedter Zinspflichtigen, auch
Löhnungstag fürs Gesinde. Weitere Abgabetermine: Hagelfeiertag
(Mittwoch nach Pfingsten) und Martini (11. November). Meikwoche = Woche
nach Michaelis.
Papenberg:
Von Pape Pfaffe ital.: papa russ.: Pope. Weg am Berghang, den der
Pape/Pfarrer von Detfurth benutzte, wenn er zum Gottesdienst nach W.
kam. Bis vor ca. 50 Jahren Wehrstedter Feldmark.
Im Potte:
(in Hilmsen) = in Hildesheim, im Salze = in Salzdetfurth.
Prülker:
= Bäcker, prülken = Teig kneten und rollen, sprachverwandt mit
"Prilken". Wehrstedt hatte den Prülker (a.d. Kirche 10) und den lüttgen
Back = kleiner Bäcker (Dorfstraße 1).
Pump, -paule:
Morastiges, dreckiges Waserloch, Pfütze, engi.: pool (kleiner
Teich), Uitschenpump = Unkenpfütze, Ahnepaule = Ententeich.
Ritter:
Im Mittelalter zunächst nur berittener Soldat = Krieger des Königs, ab
ca. II.Jhdt. erblicher Stand, hatte Land und Gut als Lehen, zog von den
Bauern Zins. War Grundherr und hatte die niedere Gerichtsbarkeit im
Dorf.
von Wehrstedt (-1210), von Steinberg (-1570), von Stopler (- 1816).
Wobei die von Stopler eigentlich keine Ritter oder Freiherren waren,
sondern Ministeriale (Dienstmannen des Herzoges, Beamte).
Rute:
1 Rute = ca. 21 qm, 1 Morgen hat 120 Ruten. Als Flächenmaß für Gärten und Grundstücke gebraucht.
Schanne:
(auch: Tragd) = Trageholz, auf der Schulter konnten an ihr zwei Wassereimer hängend getragen werden.
Schuke:
Schwengelpumpe, am Schukenbrink (kl. Abhang vor Dorfstr. 26), vor dem Kothof Jordan - Bolm.
Servituten und Äquivalente:
von lat. servitium = Dienstbarkeit, eine Grundlast, die an den
Landbesitz gebunden war. A. = Entschädigung, Gegenwert, Ausgleich. Im
allgem. das Nutzungsrecht an der Allmende und die zur Unterhaltung
nötigen Dienste und Abgaben.
Taler gute Groschen Pfennige:
1 rheinischer Thaler courant (T. aus massivem Silber) hat 24 gute
Groschen (gut = massiv), 1 Groschen hat 12 Pfg. Oder: 1 Thaler hat 36
Mariengroschen (Mgr.), 1 Mgr. hat 8 Pfg.
Tranen:
Tiefe Wagenspuren, die bei Nässe auf Feldwegen entstehen.
Verkoppelung:
Feldmarksbereinigung von 1865-69. Diese Flur-Neuverteilung verteilte
auch die bisherige Allmende (Gemeinbestiz) an die Besitzer der
Feldmark, entspr. der Hofgröße und der vorherigen anteiligen Nutzung.
Vorher hatte der Kotsaß Crome z. B. 18 Morgen Grundbesitz an 21
verschiedenen Stellen!
Wasen:
Reisigbündel, Bündel aus Asten (Anmacheholz, Erbsenstiefel, Faschinen...)
Weidegerechtsame:
Das Recht, das eigene Vieh (Kühe, Schweine, Gänse) auf der
Allmende zu weiden. A. = allen Bauern gemeinsam gehörendes Land.
Wisch:
Wiesenland, Wiese.
Zins, Gefälle:
Abgabe der Kotsassen, Brinksitzer ... ans Gut, als Pachtgeld oder
Steuer. Auch als Naturalabgabe an den Grundherren (adliger Gutsherr).
Auch als Zehnt bezeichnet. Entspricht heute öfftl.-rechtl. Abgaben.
Gefälle ist indirekte Steuer, an den Grundzins gebundene Abgabe. Für
einen 18-Morgen-Kothof in W. waren das z. B.: 3 Malter Roggen + 3
Malter Hafer + 2 Hühner + Pfennigszins + Dienstgeld.
Kotsaß, Brinksitzer, Anbauer:
Kotsaß: Auch: Kötner (lat. casatus). Von einem Grundherrn eingesetzter
Siedler mit ca. 10-20 Morgen Land und eigenem Haus. Mußte auf dem Gute
arbeiten.
Brinksitzer: siedelten seit dem späten Mittelalter auf dem Brinke,
meist Handwerker, Häuser liegen verstreut, oft 0,5 -1 Morgen Land.
Anbauer: nach der Gemeinheitsteilung angesiedelt, ohne Landbesitz und
Allmenteberechtigungen. Diese Nur-Hausbesitzer siedelten oft
geschlossen (Ziegenberg, Hirtenbrink). |